05.08.2022
Erika Steinbach,
die Vorsitzende der Desiderius-Erasmus-Stiftung erklärt zur gestrigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts:
„Das Bundesverfassungsgericht stellt sich bewußt dumm. Damit trägt es selbst zu Zweifeln an Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Deutschland bei und ignoriert seine eigenen Urteile.“
Das Bundesverfassungsgericht hat nun auch den zweiten Antrag der AfD-Bundespartei im einstweiligen Anordnungsverfahren, gerichtet auf die überfällige Aufnahme staatlicher Förderung der ihr nahestehenden Desiderius-Erasmus-Stiftung, verworfen (BVerfG, Beschl. v. 28. Juli 2022, 2 BvE 3/19).
Der Antrag war bereits seit dem 17. Februar 2022 anhängig gewesen.
Das Bundesverfassungsgericht begründet seine Entscheidung damit, daß die Antragstellerin („ebenso wie beim vorhergehenden Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung“) nicht „substantiiert“ dargelegt habe, „daß das Recht auf Chancengleichheit der politischen Parteien aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz auch die vorläufige Anordnung von Zahlungspflichten zugunsten der nicht verfahrensbeteiligten Stiftungen umfaßt und es des Erlasses der begehrten einstweiligen Anordnung bedarf, um den Eintritt vollendeter Tatsachen im Sinne einer endgültigen Vereitelung des geltenden Rechts zu verhindern“.
Dies ist aus mehreren Gründen in formeller wie in materieller Hinsicht offensichtlich unzutreffend. Das Bundesverfassungsgericht stellt sich bewußt dumm.
Vorliegend mußte und muß die AfD-Bundespartei zugunsten der ihr nahestehenden Desiderius-Erasmus-Stiftung klagen, da nur die Partei beim Bundesverfassungsgericht organstreitfähig ist. Die ursprüngliche Verfassungsbeschwerde seitens unserer Desiderius-Erasmus-Stiftung hatte das Gericht bereits 2019 gar nicht erst zur Entscheidung angenommen. Hätte das Gericht damals ganz einfach über unsere Verfassungsbeschwerde entschieden (was nach § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG jederzeit möglich gewesen wäre), so würde sich die ungeklärte Frage nach der Möglichkeit einer Partei, zugunsten einer (als solcher nicht organstreitfähigen) Stiftung Zahlungen zu beantragen, gar nicht stellen.
In der Folge hatte die AfD-Bundespartei gegen die beiden an der seinerzeitigen Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde der DES beteiligten Richter, die nun auch im Organstreitverfahren weiter tätig sind, nämlich den Richter Maidowski und die Richterin Kessal-Wulf, einen Befangenheitsantrag gestellt. Diesen hat der Senat aber bereits 2020 verworfen.
Der erste Antrag der AfD im einstweiligen Anordnungsverfahren bereits vom 6. April 2019 war nicht etwa deshalb verworfen worden, weil über die oben genannte Rechtsfrage nicht substantiiert genug vorgetragen worden sei, sondern weil Anträge im einstweiligen Anordnungsverfahren angeblich „regelmäßig“ unzulässig seien, wenn das Gericht die entsprechende Rechtsfolge im Hauptsacheverfahren nicht bewirken könne (BVerfG, Beschl. v. 22. Juli 2020, 2 BvE 3/19, Rn. 38 ff.). Diese Rechtsanschauung des Gerichts ist seither in der Kommentarliteratur auf weithin einhellige Ablehnung gestoßen, da es einen solchen Rechtssatz nicht gibt und er im Grundgesetz wie im Bundesverfassungsgerichtsgesetz keine Stütze und bei allen übrigen Gerichten keine Anwendung findet. Daher war die AfD hier sehr gespannt gewesen, ob das Gericht an seiner umstrittenen und wohl unzutreffenden Rechtsanschauung noch festhalten würde. Diese, hier eigentlich interessante Rechtsfrage berührt das Gericht aber bewußt gar nicht. Damit ist nicht nur das Ergebnis der Entscheidung falsch, sondern das Gericht hat auch fachjuristisch klar das Thema verfehlt!
Im übrigen ist die Bedeutung der großzügigen staatlichen Förderung einer Stiftung im weiteren politischen Umfeld einer Partei von entscheidender Bedeutung für den langfristigen Erfolg der Partei und ihre Chancengleichheit im politischen Wettbewerb. Dies muß nicht weiter „substantiiert“ werden, sondern folgt bereits aus dem Umstand, daß alle übrigen Parteien den ihnen nahestehenden Stiftungen aus Bundesmitteln allein dieses Jahr insgesamt 659 Millionen Euro zukommen lassen, aber gleichzeitig großen Wert darauf legen, daß die DES nichts bekommt. Zugleich verbreiten deren Stiftungen die Agenda der ihnen nahestehenden Parteien landauf, landab. Von Gender, über Klima bis hin zur Abtreibung. Wäre die Förderung einer nahestehenden Stiftung für den Erfolg der ihr nahestehenden Partei gleichgültig, so hätte sich wohl schon einmal eine Partei finden müssen, die auf entsprechende Förderung freiwillig verzichtet.
Die Benachteiligung der DES gegenüber allen anderen im Bundestag vertretenen Parteien ist daher völlig offensichtlich, eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung schlechterdings nicht erkennbar. Schon allein deshalb hätte das Bundesverfassungsgericht – dem der Rechtsfall seit mehr als drei Jahren (bereits seit April 2019) vorliegt! – endlich Abhilfe schaffen müssen.
Nur das würde den eigenen Urteilen der Verfassungsgerichtsbarkeit aus den Jahren 1966 und 1986 Durchsetzung verschaffen. Danach gebietet es der Gleichheitsgrundsatz, alle dauerhaften, ins Gewicht fallenden politischen Grundströmungen in der Bundesrepublik Deutschland angemessen zu berücksichtigen.
Die Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts wäre es gewesen, gemäß seiner eigenen Urteile umgehend jede Verletzung der Chancengleichheit politischer Strömungen zu beenden. Dem verweigert sich das Gericht mit dieser Entscheidung wiederum.