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Die Aufrüstung der Bundeswehr nimmt Formen an

Die Aufrüstung der Bundeswehr nimmt Formen an

Die Bundeswehr soll schlagkräftiger werden. Soweit sind sich alle einig. Dafür braucht es mehr Geld, mehr Personal – sowie mehr und bessere Ausstattung. Auch darüber sollte im politischen Diskurs Konsens herrschen. Aber woher nehmen, wenn nicht stehlen? Seit der Wiedervereinigung wurde bei der Bundeswehr systematisch gespart, manche Experten sagen, sie wurde kaputtgespart. Die Mittel der Bundeshaushalte wurden anderweitig benötigt und die Sicherheitslage in Europa hatte sich dank Glasnost und Perestroika ja weitestgehend entspannt.
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Die Bundeswehr soll schlagkräftiger werden. Soweit sind sich alle einig. Dafür braucht es mehr Geld, mehr Personal – sowie mehr und bessere Ausstattung. Auch darüber sollte im politischen Diskurs Konsens herrschen. Aber woher nehmen, wenn nicht stehlen? Seit der Wiedervereinigung wurde bei der Bundeswehr systematisch gespart, manche Experten sagen, sie wurde kaputtgespart. Die Mittel der Bundeshaushalte wurden anderweitig benötigt und die Sicherheitslage in Europa hatte sich dank Glasnost und Perestroika ja weitestgehend entspannt.

Hinzu kam, daß die ohnehin schon begrenzten Mittel der Bundeswehr in diverse Auslandseinsätze flossen. Unsere Freiheit wurde nicht nur 20 Jahre lang am Hindukusch verteidigt, die Bundeswehr war auch im Irak, in Bosnien, Mali, Libyen, Sudan, im Kongo, in Ruanda, in der Türkei sowie am Horn von Afrika involviert, um nur einige Beispiele zu nennen. Zuletzt eskortierte die Fregatte Hessen Handelsschiffe durch das Rote Meer und holte Drohnen der Huthi-Milizen vom arabischen Himmel.

Durch den Ukraine-Krieg hat sich nun die Sicherheitslage in Europa deutlich verschärft. Deutschland ist die zentrale militärische Drehscheibe für die NATO; bei einem Aufmarsch unserer Alliierten führen alle Wege über Deutschland. Das Bedrohungs-Szenario: Russland soll innerhalb der nächsten fünf Jahre so weit aufgerüstet haben, daß es die NATO wirksam angreifen könnte, wie interne Bundeswehruntersuchungen ermittelten.

Als Reaktion auf diese veränderte Sicherheitslage in Europa soll die militärische Schlagkraft der NATO jetzt massiv aufgerüstet werden. Die Europäer wollen und müssen künftig ihren angemessenen Beitrag leisten, wohl auch, um einem möglichen Präsidenten Donald Trump auf Augenhöhe begegnen zu können.

So hat die Bundesregierung beispielsweise zugesagt, einen gefechtsbereiten und eigenständig handlungsfähigen Kampfverband fest in Litauen zu stationieren. Die Brigade soll bis 2027 einsatzfähig sein. Vorgesehen ist eine dauerhafte Präsenz von etwa 4.800 Soldaten. Das Parlament hat mit einem „Sondervermögen“ – also mit neuen Schulden – eine erhebliche Summe dafür zur Verfügung gestellt.

Mehr Geld

Wo wir schon beim lieben Geld sind, zusätzlich zum derzeitigen Etat des Verteidigungsministeriums veranschlagte Minister Boris Pistorius für 2025 satte 6,5 Milliarden Euro, um den neuen Anforderungen an die Bundeswehr gerecht werden zu können. Das ist nachvollziehbar, doch Finanzminister Christian Lindner wird ihm aufgrund des klaffenden Haushaltslochs einen fetten Strich durch die Rechnung machen müssen. Vermutlich werden vom Bundestag nur rund 1,2 Milliarden zusätzlich bewilligt werden.

Mehr Personal

Beginnen wir mit einer Bestandsaufnahme. Die Zahlen sind gerundet, weil sie durch monatliche Zu- und Abgänge geringfügig variieren. Derzeit leisten rund 180.000 Soldatinnen und Soldaten Dienst bei den Streitkräften. Davon sind 55.000 Berufssoldaten, 115.000 Zeitsoldaten und 10.000 Freiwillig Wehrdienstleistende. Dazu gibt es 80.000 zivile Beschäftigte, vor allem als Sachbearbeiter in der Wehrverwaltung oder in der Wehrtechnik. Bei den Streitkräften beträgt der Anteil der Soldatinnen 13 %; 39 % der zivilen Mitarbeiter sind Frauen.

Reicht Freiwilligkeit aus, um die Personalnot bei der Bundeswehr zu lindern? Nein, sagt Carsten Breuer, 4-Sterne-General des Heeres und als Generalinspekteur der Bundeswehr ranghöchster Soldat Deutschlands. Ein neues Wehrdienstmodell müsse auch verpflichtende Anteile haben – und auf Gleichberechtigung setzen.

„Für all diese Aufgaben braucht die Bundeswehr Personal. Insgesamt liegt unser Bedarf bei über 400.000 Zeit- und Berufssoldaten sowie Reservisten. Um diesen Bedarf zu decken, brauchen wir ungefähr 100.000 Reservisten zusätzlich. Diesen können wir durch das neue Modell zunächst decken. Ganz ohne verpflichtende Anteile wird es dabei nicht gehen.“ So brachte es Carsten Breuer unlängst auf den Punkt.

Doch woher sollen die zusätzlichen Kräfte kommen? Wird es bald nicht nur eine neue Wehrpflicht für Männer, sondern auch für Frauen geben? Die Pläne des Generalinspekteurs sehen das offenbar vor. Breuer sagte gegenüber den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland, er wolle im Falle einer Wiedereinsetzung der 2011 ausgesetzten Wehrpflicht auch Frauen einbeziehen.

Verteidigungsminister Boris Pistorius hatte im Juni Pläne für ein neues Wehrdienstmodell vorgestellt. Das neue Modell soll aus einem Grundwehrdienst von sechs Monaten mit einer Option für zusätzlichen freiwilligen Wehrdienst von bis zu 17 Monaten bestehen. Dazu soll eine verpflichtende Erfassung eingeführt werden, in der junge Männer ihre Bereitschaft und Fähigkeit zu einem Wehrdienst benennen müßten. Junge Frauen könnten dies auch tun, allerdings auf freiwilliger Basis. Immerhin ein bisschen Gleichberechtigung.

Breuer weiter: „Wir haben im Moment eine ausgesetzte Wehrpflicht, die laut Grundgesetz allein auf die männliche Bevölkerung zielt. Hier sollte man Gleichberechtigung herstellen, aber dazu brauchen wir erst eine entsprechende politische und gesellschaftliche Diskussion.“

Neue Kreiswehrersatzämter, die zwischen 1957 und 2010 mehr als 20 Millionen Männer im wehrfähigen Alter musterten, soll es aber vorerst nicht geben. Diese wurden zum 30. November 2012 aufgelöst. Damit endete die Ära der systematischen „Fleischbeschau“, wie die Musterung früher im Volksmund hieß.

Mehr und bessere Ausstattung

Zur Unterstützung der Ukraine ist viel Kriegsgerät der Bundeswehr außer Landes gebracht worden: Panzer, Haubitzen, Patriot-Systeme, Stinger-Flugabwehrraketen, Störsender, Munition und vieles mehr wurde gen Osten verfrachtet. Eine aktuelle Auflistung ist am Ende des Beitrages verlinkt. Dies alles gilt es nicht nur zu ersetzen, es soll auch zusätzlich aufgerüstet werden. Derzeit kursieren viele Mediengerüchte über die aktuellen Bestellungen für die Bundeswehr. Von neuen Panzern, Drohnen und sogar eigenen Satelliten ist die Rede.

Konkret sollen insgesamt 105 neue Leopard 2 Panzer der neuesten Version geordert werden. Ein Teil davon soll die künftige Brigade in Litauen ausstatten, ein anderer Teil die seit Jahren bestehende Ausstattungslücke in der Bundeswehr schließen, sagte Verteidigungsminister Pistorius.

Europas größter Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus hat einen Großauftrag für ein Satellitensystem von der Bundeswehr erhalten. Der Auftrag hat einen Wert von 2,1 Milliarden Euro und umfasst neben den Satelliten auch die dazugehörenden Bodenstationen.

Weiterführende Quellen:

Unser 92-seitiges Magazin Faktum mit dem Titel: „Die Bundeswehr zwischen Anspruch und Wirklichkeit“ (aus 2020): https://erasmus-stiftung.de/wp-content/uploads/2020/12/Faktum2web.pdf

https://www.bundeswehr.de/de/ueber-die-bundeswehr/zahlen-daten-fakten/personalzahlen-bundeswehr

https://www.rnd.de/politik/deutschlands-oberster-soldat-sollten-bei-der-wehrpflicht-gleichberechtigung-herstellen-PVG3JO53DRASLBBICP5XKS4GNQ.html

https://www.bild.de/politik/bundeswehrplaene-wehrpflicht-bald-auch-fuer-frauen-66863a697dff674dd49af891

https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/bundeswehr-airbus-satellitensystem-100.html

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1315847/umfrage/militaerische-unterstuetzungsleistungen-deutschlands-an-die-ukraine

Frauen bei der Bundeswehr – Gleichberechtigung bei den Streitkräften?
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