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Digitales Trinkgeld – moderne Errungenschaft oder ein Jobkiller?

Digitales Trinkgeld – moderne Errungenschaft oder ein Jobkiller?

Die Digitalisierung schreitet unaufhaltsam voran. Sie wird unser aller Leben nachhaltig verändern, soviel ist klar. Aber wie schnell wird sie unseren Alltag erreichen und prägen? Ein kurzer Rückblick: Trinkgeld – jeder hat es wohl schon mal einer serviceorientierten Kellnerin, dem netten Friseur oder dem freundlichen Taxifahrer zugedacht. ...

Der Blick in ein Lexikon – in diesem Fall Wikipedia – ergibt folgende Begriffsdefinition: „Trinkgeld … ist in der Wirtschaft eine durch den Gast oder Kunden über den Rechnungsbetrag hinaus erbrachte freiwillige Zahlung, mit der eine besondere Dienstleistungsqualität honoriert werden soll.“

Aufrunden war jahrzehntelang die Devise. Schlecht für den Kellner, wenn die Rechnung auf Komma-80 endete, dann gab es vielleicht nur 20 Pfennig oder heute 20 Cent. In einigen Branchen wie der Gastronomie war es lange Zeit üblich, dass das Servicepersonal ein niedriges Grundgehalt bekam, da ja das erwartbare Trinkgeld hinzukam. Dieses war stets steuerfrei, weil dessen tatsächliche Höhe ja nicht nachweisbar war. Barzahlung machte es möglich.

Schon seit ein paar Jahren setzt sich immer mehr das bargeldlose Bezahlen durch. Die EC-Karte, das Smartphone, die Smartwatch – die Möglichkeiten des Bezahlens sind in der modernen Welt vielfältiger denn je. Und fahren Sie mal in die Niederlande! Dort ist in den meisten Supermärkten, Restaurants oder Tankstellen die Bargeldzahlung schon die absolute Ausnahme – ja manchmal ist sie gar nicht mehr möglich. Das gute, alte Bargeld ist nicht mehr gewollt. Abgesehen davon, dass 500er, 200er und „Kupfermünzen“ gar nicht mehr angenommen werden.

Was hat das für Auswirkungen auf das Bedienungsgeld, wie das Trinkgeld früher auch genannt wurde? Entweder es gibt gar kein Trinkgeld mehr oder dessen Extrazahlung ist am Bezahlterminal bereits voreingestellt. Der Gast oder Kunde kann beispielsweise zwischen 5%, 10% oder 15% wählen. Mit dem früheren Aufrunden hat das nichts mehr zu tun, denn der frühere Nebeneffekt, beim Bezahlen weniger Kleingeld zurück zu bekommen, ist hinfällig. Dem Zahlungsdienstleister ist es egal, welche krummen Beträge vom Konto des Zahlungspflichtigen abgebucht werden.

Aber wem kommt das digitale „Trinkgeld“ eigentlich zugute, wenn bargeldlos gezahlt wird? Bekommt es wirklich der Kellner? Oder verbleibt es beim Unternehmer, welchem die bargeldlose Zahlung ja gutgeschrieben wird? Oder wird es auf das ganze Personal aufgeteilt? In jedem Fall wird die tatsächliche Summe bekannt, die der Kellner, Friseur oder Taxifahrer tatsächlich bekommt.

Wenn das bargeldlos gezahlte Trinkgeld den Kellner oder die Kellnerin gar nicht mehr erreichen sollte, welche Auswirkungen hat das auf den Niedriglohnsektor? Liegt hier etwa ein Grund, weshalb gastronomische Betriebe heute nur noch schwer Servicepersonal bekommen?

Man kann das sicher nicht pauschalisieren. Jeder Betrieb wird das anders handhaben. Unternehmer, die Wert auf zufriedene Mitarbeiter legen, werden diese auch fair behandeln und auszahlen, was ihnen zusteht.

Unser kleines Beispiel sollte verdeutlichen, dass die Digitalisierung weit mehr Auswirkungen hat, ob und auf welchem Wege ein Mitarbeiter das ihm für seine Freundlichkeit zugedachte Extra-Geld bekommt. Es zeigt, dass auch banale Vorgänge des Alltags neu hinterfragt werden sollten. Muss man einen Kaffee wirklich mit Karte bezahlen? Oder sind ein paar Euro mehr im Portemonnaie vielleicht doch sinnvoll? In bar – versteht sich.

Weiterführende Quellen:

https://www.wiwo.de/unternehmen/dienstleister/per-app-bezahlen-deshalb-hat-trinkgeld-einfach-jeglichen-sinn-verloren/29604692.html?dicbo=v2-Q46IX5f

https://de.wikipedia.org/wiki/Trinkgeld